Die Schwester eines guten Freundes war verstorben. Auf ihrem Computer hatte sie eine Playlist, die ihrem Bruder gut gefiel. Er wollte die Playlist samt Musik übernehmen, um sie gelegentlich in Erinnerung an seine Schwester zu hören. Da er als Mediziner zwar Computer gut bedienen kann, aber eben Anwender und kein Spezialist ist, wandte er sich an mich. Ich dachte, nichts leichter als das.
Eine Playlist enthält Referenzen, die auf die zu spielenden Dateien verweisen. Damit ist ja alles klar. Ja. Meine Idee war, die Playlist mit Hilfe eines Texteditors so zu parsen, dass für jede Datei ein Kommandozeilenbefehl entsteht, der die Datei in einen Zielordner kopiert. Mein Gedanke dabei war, möglichst wenig Aufwand zu haben und nichts außer den Bordmitteln auf dem mir unbekannten PC des Freundes zu nutzen. Ich hatte das Batchfile schnell erstellt. Leerzeichen, Umlaute, krude Pfadnamen – so wurde das nix.
Als erfahrener Projektleiter löst man das anders! Ich hatte die Aufgabe, das Projektziel, verstanden. Jetzt musste ein Team her. Ich sollte nicht weiter programmieren, sondern Kommunikation und Koordination übernehmen. Ich benötigte einen Business-Analysten, der den Prozess so beschreibt, damit ein Programmierer ihn umsetzen kann. In Ermangelung eines Talentpools teilte ich mich selbst dazu ein. Kurz darauf hatte ich das Ergebnis. Jetzt fehlte „nur“ noch die Umsetzung. Es war ein privates Projekt zwischen den Jahren. Ganz schlechte Rahmenbedingungen. Aber damit kann ich umgehen.
Ich fragte meinen Sohn. Python war die Antwort. Ich als Python-Programmierer, lange ist es her. Mein Sohn erklärte sich bereit. Ich wollte helfen. Die KI ersetzt alle Programmierer, wird von vielen „Spezialisten“ behauptet. Ich hatte die Anforderungen perfekt formuliert. Daraus erstellten wir einen Prompt. Unsere Erwartungshaltung war, den KI-generierten Python-Code in die Entwicklungsumgebung zu kippen und fertig ist die Laube. Nun, ich will es komprimiert darstellen. Verschiedene Sprachmodelle erzielen unterschiedliche Ergebnisse. Die Analyse der Fehlermeldungen ist nicht immer einfach. Programmierkenntnisse sind sehr hilfreich. (Nein, die Fachabteilung daddelt nicht umgangssprachlich irgendwas in irgendeinen Chatbot und bekommt die ultimative Software.)
Nach einem Vormittag hatten wir das Ergebnis. Performant und fehlerfrei. Und richtig komfortabel. Das Skript fragt ab, wo die Playlist liegt. Es unterscheidet zwischen den gängigen Playlist-Formaten und kann die wichtigsten bearbeiten. Das Zielverzeichnis für die Musikdateien kann der Anwender frei wählen. Wow – echt cool! Ersetzt die KI alle Programmierer? Naja, eher nicht. Meine Projekterfahrung sagt mir, dass ein Python-Programmierer das schneller hinbekommen hätte. Natürlich hätten mein Sohn und ich dabei nicht so viel gelernt. Wissen und Erfahrungen, die uns bei zukünftigen Aufgaben helfen werden.
Und wie verlief der Produktiveinsatz? Python installiert: check. Skript geladen: check. Skript gestartet: check. Speicherort der Playlist eingegeben: check. Zielordner für die Musik eingegeben: check. Prozess gestartet: check. (Wenige Sekunden später) Vollzugsmeldung vom Skript: check. (Keine Fehler im Logfile.)
Ersetzt die KI alle Programmierer? Naja, eher nicht. Auch, weil es ihr von den strahlenden Augen eines Freundes nicht warm ums Herz wird.
14.01.2025
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